Donnerstag, 25. Oktober 2012

Arbeitsmarktver­hältnisse, Weinen verschärft die vegetative Erregung, Tränen vergrössern den Jammer, die These, wo­nach Weinen ein erschüttertes seelisches Gleichgewicht wieder ins Lot bringen könne, findet ge­mäss neuesten Forschungsergebnissen wenig empirische Bestätigung, es stellt sich heraus, dass Gram und vegetative Erregung beim Weinen nicht abklingen, sondern noch an Intensität dazu­gewinnen, vermutlich dient die Leidensbekundung dazu, den seelischen Schmerz für die Men­schen in der Umgebung kenntlich zu machen, dadurch wird der soziale Zusammenhalt geför­dert, weil die Zeugen des Leids motiviert sind, Zuwendung zu geben, die Forschungen haben auch gezeigt, dass Weinen ansteckend ist,
Sogeffekte, und wir haben unendliches Mitleid mit diesen Muttis und Vatis, die so viel und so schwer für uns gearbeitet haben, was haben sie erreicht, ist aus den Söhnen und Enkeln das geworden, was sie sich gewünscht haben, sie wünschten sich, dass wir ordentliche Leute würden, vernünftige, gute, liebe Leute, mit einem Familienleben,

mit Festen, Geburtstags- und Weihnachtsfeiern, Photoalben, Ferien, die Söhne mit gutem Beruf, die Töchter haushaltend in sonnigen grossen Wohnungen, il mio diletto ha messo la mano nello spiraglio, die Enkel lustig und fleissig und mit guten Schulnoten, sie haben in dieser Richtung gewirkt, mit allen ihren Kräften, die schon zu ihrer Zeit vielfach zu schwach für diese Aufgabe waren, schon damals gingen manche unter, wurden verrückt, begannen zu trinken, man gab sie verloren, sprach nicht mehr von ihnen, aber wenigstens gab es immer genügend andere, über die man sprechen konnte, Söhne, die studierten, die Doktor wurden, welch ein Wunder,

vor 2400 Jahren wurde der Römer Cincinnatus von der Pflugschar weg zum Diktator ernannt und kehrte nach einem halben Jahr wieder an den Pflug zurück,
Buben sollen über sie herrschen, die moderne Industriege­sell­schaft ist ein Grosssystem, in welchem wir unsere Flexibilität als Pa­rasit beweisen können, wir könnten uns in ihm nicht einrichten, wenn wir uns nicht auch be­reits millionenmal oder milliardenmal vorher irgendwo eingerichtet hätten, und überlebt hätten, in einer feindlichen, schwierigen Umwelt, von der wir immer nur einen kleinen Teil wahrge­nommen haben, Geschichtsklitterungen, ich war damals des Glaubens, dass in der Auseinandersetzung mit dem Nationalso­zialismus ein neuer und der allein noch mögliche Weg zu einer Erneuerung sich öffnen könnte, Stichproben, Langzeit­therapien,
das Alltagsbewusstsein funktioniert und leistet gute Dienste, wir benötigen kein Geistesleben da­zu, keine Wissenschaft und Philosophie, warum verlassen wir dann aber überhaupt den Alltag und schwir­ren ab ins weite Feld der Phantasie und Spekulation, warum müssen wir, die wir uns ja schon zur Genüge um Schlaf, Nahrung, Zuwendung zu sorgen haben, uns auch noch mit Begriffen und Gedankengebäuden abplagen,
Spitzentechnologie, diese Bemühungen sind in vielen Fällen ganz und gar unergiebig, sie haben höchstens als Zeitvertreib ihre Berechtigung, als Beschäftigung für einen unausgelaste­ten, gelangweilen Geist, oder natürlich auch, vergessen wir das nie, als Mittel zum Machterwerb, mit dem Erfinden von beeindruckenden Geschichten lässt sich unter Umständen ganz gut leben, das haben als erste ein paar griechische Landstreicher begriffen, Spritzenverbrauch, Fragebögen, Kontrollgruppen,
sie denke viel über uns nach, sagte sie manchmal, sie sagte, sie denke, wir seien falsch erzogen worden, ich habe meinen Sohn falsch erzogen, denke sie, man hätte ihn nicht studieren lassen sollen, denke sie manchmal, wer studiert, studiert oft Unnötiges und Ueberflüssiges und macht dann mit diesem Unnötigen und Überflüssigen ein Riesentheater und glaubt dabei noch, alles besser zu wissen, mein Sohn weiss nichts besser und macht nichts besser, denke sie,


e un fremito mi ha sconvolta. und uns begleitet ein Bild, das im Film Gimme Shelter so sehen ist, inmitten der erregten, verzückten, schreienden, kämpfenden, verletzten Menschen, inmitten der denkbar grössten Aufregung, steht ein Hells Angel, ein stämmiger blonder Kerl, han banker på, er sieht nicht mehr, was vor sich geht, er ist ganz mit sich selber beschäftigt, muss sehen, dass es mit ihm selber noch weitergeht, statt des Balsams gibt es Moder, es kocht, siedet, glüht in ihm, schhh, er muss ganz schön stillhalten, sonst wird er ganz einfach verdampfen,

also Vorsicht, er schürzt die Lippen und bläst und lässt Dampf ab, schhh, sagt er, schuuuhh, es ist dies ein Zustand, der uns bekannt ist, auch wir befinden uns des öftern in diesem Zustand, lukk op for mig, aber wir dachten immer, wir seien der einzige Mensch, der in einen solchen Zustand geraten könne, wir dachten dies, bis wir eben diese Figur in Gimme Shelter sahen, statt der,

Sonntag, 21. Oktober 2012

das Publikum im Kino lacht, wenn dieser Rocker auftaucht, der im grössten Trubel steht, im Zentrum des Orkans, unter hundertausend wildgewordenen Menschen, und nichts mehr tun kann, als vorsichtig, sehr vorsichtig, zu blasen, schhhoo, schhhoohh, welch ein Wunder, wir sind froh, dass es diesen Menschen gibt, es steht somit fest, dass wir nicht allein in diesen Zustand geraten, Schärpe, nur sich nicht weiter aufregen, nur aufhören, nur jetzt nicht weiter prügeln, die Augen schliessen, wegsehen, weghören, die Rolling Stones überhören,
ein Wunder, das ist es, was not tut, den Strick, haben wir etwa zuviel getrunken, nein, wir haben nicht zuviel getrunken, es ist nur einfach zuviel los hier, die Hölle ist los, tausend Teufel stürmen auf uns ein, aber wir stehen da, wie ein Fels, wir lassen uns nicht so leicht umwerfen, sch, sch, ein Fels in der Brandung,
mi sono alzata, man müsste vielleicht schreien, man müsste handeln, man müsste prügeln, auf die wildgewordenen Idioten einschlagen, aber wie will man zweihunderttausend Verrückte wegprügeln, jeder Erwischte wird durchbohrt, nicht einen einzigen kann man aufhalten, nicht einen einzigen, per aprire al mio diletto, also steht man still, bläst, zischt, ein grosses Wunder, die Rasenden werden nicht ewig rasen können, die Menge wird sich schon wieder verlaufen, es werden alle wieder ganz harmlos werden,
in dreissig Jahren ist jeder, der hier wütet, ein wackliger alter Mann, oder ist jeder schon tot, jeder Verschleppte fällt durch das Schwert, also kein Grund zur Aufregung, kein Grund zur Aufregung, schuuhh, schaah, und die Wiesen werden sich schon nach wenigen Wochen erholt haben, und nach einem Jahr wird nichts mehr an diesen Spuk erinnern, und in hundert Jahren wird hier ein Wald sein,
lukk op, Wald, ah, Wald sein, deshalb, seltsam, diese Aufregung, seltsam, e le mie mani stillavano mirra, Geschmacksmuster, Abweichungen, Wunsch­kandidaten, Jubelfeiern, Realitätsverluste, Krisenstäbe, Drückeberger, Gewinnbeteiligungen, Leserschwund,


Freitag, 19. Oktober 2012

fluiva mirra dalle mie dita sulla maniglia del chiavistello, wir wollen uns an niemanden wenden, wir lassen die Müden müde, die Kranken krank, die Enttäuschten enttäuscht, die Bewegten bewegt, wir wollen nur still durch den Wald gehen, fondue, die Dumm-Bewegten dumm-bewegt, ho aperto allora al mio diletto, Sanierungen, Unregelmässigkeiten, Differenzierungen, Missbrauchsbekämpfung, Ungleichbehandlungen, Kaderleute, Gesinnungswandel, min søster, die Aerzte haben sich immer ganz den Zielen der Kriegsführung untergeordnet,
der Krieg war für sie ein grandioses medizinisches Experiment, die Heerscharen der Kriegsblinden und Kriegsverrückten beeindruckten sie nicht im geringsten, sondern führten sofort zur Frage, wie man die in diesen Massen versteckten Drückeberger am besten erkennen und aussondern könne, die Nachwirkungen der Behandlungs­methoden, die man zu diesem Zweck erfand und anwandte, gehen durch das ganze zwanzigste Jahrhundert, sagen wir, man verabreichte als Ueberrumpelungsmassnahme elektrische Strom­stösse,

Donnerstag, 18. Oktober 2012

man verordnete die Kaufmann-Kur, die stundenlange Anwendung schmerzhaftester elektrischer Sinusströme, man nötigte die Willensschwachen und Simulanten, Erbrochenes zu schlucken, man setzte sie wochenlang in Isolationskammern, man führte Scheinoperationen durch oder provozierte durch Kehlkopfsonden oder Kugeln Erstickungstodesangst, Kampfmassnahmen, Abschaltungen, Brennelemente, Personalkosten,
Teufelskreise, Stellenbewirt­schaftungen, dass die Menschen nicht in der Lage seien, sich zu ändern, sagten wir, dass es grundsätzlich nicht möglich sei, die menschlichen Angelegenheiten zum Besseren zu ändern, dass wir selber uns ja auch nicht änderten und immer schön gleichmässig böse seien, böse und verstockt, dass die Vergottung des Menschen, so fuhren wir fort, die Verdiesseitigung der allein Gott vorbehaltenen Heilshoffnung in die Katastrophe geführt habe, Anforderungsprofile, dass es richtig sei, dass der Mensch seine Endlichkeit und Sündhaftigkeit anerkenne, nur dies verhindere die Gesetz­losigkeit, den Bürgerkrieg und die Anarchie,
das Christentum habe viel Schlimmes angerichtet, aber auch viel Gutes, und zum Guten gehöre die Lehre von der Erbsünde, et confondue, Oslo, nur das strikte Beharren auf der Erbsünde könne uns vor dem Schlimmsten bewahren, sagten wir, Hobbes habe recht gehabt, Hobbes, wenn er gesagt habe, der inner- und zwischenstaatliche Friede sei erst dann gesichert, wenn die Menschen jeden Wunsch nach einer Erlösung über die hinaus, die mit Jesu Kreuzestod in die Welt kam, aufgegeben hätten,

Montag, 15. Oktober 2012

Sonntag, 14. Oktober 2012

deshalb öffnet das Totenreich seinen Rachen gar weit, Wachstumschancen, Wachstumswerte, Wachstums­­potentiale, Werkschutz, Grossauf­gebote, Sicherheitsdefizite, min venninne, Transferorgani­sationen, Schutzgelderpressungen, thu mir auff, der Mensch braucht eine Hoffnung, sagen wir, die sein Dasein übersteigt, eine Sehnsucht nach etwas ganz Anderem, Grossen und Fraglosem, ein grosses und endgültiges Glücksversprechen,
viele Menschen finden auf dieses Bedürfnis keine Antwort, haben wir vielleicht eine, min due, wir denken manchmal, dass wir eine hätten, wenn wir uns nur darum bemühten, wir könnten uns ändern, und zwar grundlegend, dauerhaft, endgültig, du rene, nicht so, wie man es bisher getan hat, unvollkommen und verlogen,
nein, wir wollen das Andere erreichen, eine neue Gesellschaft, und zwar nicht die bekannten Neuen Gesellschaften mit ihren Gangstern und Leichenbergen und Wahrheitsansprüchen, sondern eine andere neue Gesellschaft, die eigentlich gar keine Gesellschaft ist, sondern etwas Neues, etwas ganz und gar Neues, etwas endgültig Vernünftiges und zugleich Seelenvolles und Empfindsames und Spielerisches, Spruch des Herrn der Heerscharen, etwas Ernstes und Unernstes, etwas dem Wahnsinn der Existenz besser Angepasstes, es ist dies eine Riesenaufgabe, sagen wir, und unsere Augen leuchten, und wir denken an unseren Lebensmenschen, en amour, Quotenregelungen, Standortfragen, Maulkörbe, Waffenembargos, Frauenzentren, Gesamtsituationen, Schuldzuweisungen,
liebe Freundin, falls man das Experiment Menschheit neu starten könnte, etwa von der Situation aus, wie sie fünftausend Jahre vor Christus bestand, würden wir wohl feststellen können, dass sich die Geschichte noch ein paar tausend Jahre lang wiederholen würde,

Donnerstag, 11. Oktober 2012

es würden wieder die alten Hochkulturen entstehen, die Sache würde bis etwa zum Jahr 500 vor Christus den bekannten Verlauf nehmen, was nachher geschähe, wäre aber kaum vorherzusagen, ma il mio diletto gia se n'era andato, was nach der Besiedlung des Mittelmeers und der Intensivierung von Handel und Seefahrt, nach dem Bau von Kriegsflotten, geschähe, wäre nicht mehr zu berechnen, gewiss ist nur, dass es Reiche, Kriege, Kaiser und Könige gäbe, und Architekten, Bildhauer, Historiker, Philosophen,

Dienstag, 9. Oktober 2012




aber ob das Christentum entstanden wäre, und ob die Philosophen nicht etwas ganz anderes hätten philosophieren können, en chaleur, vollends ausser Rand und Band würde die Geschichte nach weiteren technischen Fortschritten geraten, hier wären unendlich viele Konfigurationen denkbar, vor allem aber viele Konfigurationen, die noch viel extremer und viel fürchterlicher wären als diejenige, in der wir stecken,
wir haben es nämlich schön, wir haben es gut, mit unseren Demokratien, unseren Freiheiten, unseren lächerlichen Regierungen haben wir es gut, reisst auf sein Maul ohne Mass, und wir haben es grossen Zufällen zu verdanken, dass wir überhaupt noch da sind, und wir hoffen, dass uns weiterhin ein glückliches Geschick begleiten wird, jetzt, am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts nimmt die Instabilität nämlich wieder zu, und wir sind für jeden Tag froh, an dem die Sonne weiter aufgeht, sagen wir, im Wald,

era scomparso, wir hoffen auf Licht, doch es bleibt finster, wir hoffen auf den Anbruch des Tages, doch wir gehen im Dunkeln, wir tasten uns wie Blinde der Wand entlang und tappen dahin, als hätten wir keine Augen, wir stoplpern am Mittag, als wäre schon Dämmerung, wir leben im Finstern wie die Toten, for mitt hode er fullt av dugg, eine kleine Stadt auf dem Felsen gelegen, in der nach der rechten Ordnung gelebt wird, ist besser als das törichte Ninive, sagt die kleine Frau, meine Fromme,
Rahmenbedingungen, Hochkonjunkturphasen, Fertigmacher, Unterstützungskomitees, io venni meno, wenn sie nur alle der Teufel holen würde, sagen wir, würden wir manchmal denken, en chasse, die Beschäftigung mit den Griechen hilft uns nicht weiter, wir wollen keine weitere Renaissance, damit hinabfährt sein Gepränge, was helfen uns Bürgertugenden, Athleten, Volksversammlungen, Tempel, Schwätzer, Vasen, Mänaden, wir müssen diese Dinge vergessen, wenn wir weiterkommen wollen, Leibesvisitationen,
mit den Erfindungen der Griechen und den Römer kommen wir nicht weiter, Waffentragverbote, so wie die Athener durch das Nadelöhr der Schlacht von Salamis in die Welt traten, so werden auch wir, oder eben nicht wir, andere, ganz andere, in die Welt treten und die Geschichte weiterführen,
was hinter uns liegt, ist höchstens als Unglücksfall interessant, Asyl-Basisorganisa­tionen, Info-Läden, wenn man uns hören würde, sagen wir, und es ist nicht das erste Mal, dass wir das sagen, aber wir sind mitten im grossen Wald, und es kann uns niemand hören, per la sua scomparsa, Solon rechnet mit einem unsichtbaren Mass des Erkennens, das die Grenzen aller Dinge hält, es sei am allerschwersten zu finden, sein Gepränge und Gedränge,

wir können die Dinge nicht so lassen, wie sie sind, sie müssen umgebaut und verändert werden, wer etwas auf sich hält, will die Dinge selbstverständlich nicht so lassen, wie sie sind, wer vorwärtskommen will, muss das Bestehende als schlecht bezeichnen, es ist veraltet, verstaubt, unerträglich, wie kann man damit leben, Markenzeichen, die Superklugen müssen daher ständig und überall alles verbessern, und so ist die Welt erfüllt vom Geschrei der Verbesserer, vom Geschwätz der Planer und Projektleiter, von den Dummheiten der Möchtegern-Gesetzgeber, dem Klappern der Gebetsmühlen,